Es ist nun Montag früh und ich stehe schon vor sechs Uhr auf, ohne einen Wecker zu benutzen. Mein Gott, denke ich, du bist doch Journalist und so etwas ist dir doch noch nie passiert. Außer gestern natürlich, als wir schon einmal in einem kleinen Dorf übernachtet haben. Spätestens um zehn Uhr abends ist hier Ruhe eingekehrt, ab ins Bett. No TV.Field Trip-3 (153)-klein
Mit dem ersten kargen Licht kehrt das pralle Leben zurück: Hähne krähen, Hühner gackern, Kinder machen sich auf den langen Weg zur Schule. Manche haben zwei Stunden Fußmarsch vor sich. Aber zuvor versammeln sich alle vor dem Haus, in dem dieser komische Mann gastiert. Der so helle Haut hat, dass sie sich von der Sonne rot färbt wie seine ungewöhnlichen Haare. So einen Mann haben sie noch nie gesehen, und so werde ich vom BVB-Gesang sanft geweckt. Ja, das hat funktioniert.
Und das an einem Montag, an dem ich immer noch nicht weiß, ob wir in guter, immerhin zwei Jahre alter Tradition die Bayern in deren Stadion wieder weggeputzt haben. Aber vermisse ich das hier? Der Blick auf die jetzt langsam verschwindenden Sterne sagt eindeutig nein. Abends konnte ich einen Sternenhimmel bewundern, wie man ihn in Deutschland wohl nie zu Gesicht bekommen wird. Kein störendes Licht in der Nähe, nur die funkelnden Sterne neben einem abnehmenden Mond. Grandios.
Zeit für die Dusche. Unter freiem Himmel, direkt im Busch neben den riesigen Urwaldbäumen. Das Wasser kommt aus der Pumpe, erfrischend kühl aber nicht zu kalt. Zum Frühstück Reis mit Fisch in einer Sauce, die an Schärfe kaum zu überbieten ist. Aus Rücksicht auf meinen Magen verzichte ich diesmal und begnüge mich mit frisch gepflückten Bananen.
Wer immer in Deutschland oder einen anderen Land, das sich zivilisiert nennt, Bananen sieht, hat sofort einen bestimmten Geschmack im Mund: nämlich gar keinen. Geschmacklose, nach EU-Norm gekrümmte gelbe Dinger, die grün gepflückt wurden und nach langer Reise einen künstlichen Reifeprozess durchlaufen haben. Die Bananen hier passen zwar durch keine Normschablone ( so etwas haben die EU-Beamten wirklich verordnet), schmeckt aber himmlisch. Auch Papayas schmecken frisch geerntet nicht wie Seife, sondern herrlich fruchtig.Field Trip-2 538-klein
Aber heute geht es zurück nach Ghanta, über Stock und Stein, immer auf den staubigen Pisten. Knüppelhart ist der Lehm, wenn die Sonne ihn austrocknet und rutschig wie Eis, wenn er feucht ist. Und alle paar Meter wechseln sich diese Extreme ab. Für die ersten 30 Km benötigen wir allein vier Stunden, nochmals vier für die letzten 100 Km. Das ist dann die Hauptstraße von Gboyi oder Tobli nach Ghanta. Zumindest nennt man das hier Hauptstraße, weil auch viele Lastwagen diese Piste befahren und dabei oft umkippen.
Rund 40 Km vor Ghanta müssen wir durch Bahn, immerhin eine etwas größere Stadt. Es ist Markttag und jeder Händler baut seinen Stand dort auf, wo die meisten Leute vorbeikommen müssen. Das ist natürlich mitten auf der Hauptstraße und einen anderen Weg durch Bahn gibt es nicht. Eine Stunde brauchen wir allein für die zwei Kilometer durch Bahn. Und anscheinend verkauft der Händler am besten, der seine Waren am lautesten anbietet. Nach drei Tagen im Busch eine Kulisse, die keine so richtige Freude auf die Rückkehr aufkommen lässt.
Blamreplay ist fast so etwas wie ein kleines Paradies, und doch zieht es uns zurück nach Ghanta. Zu viel des Staubes von den lehmigen Straßen nicht nur in unseren Kleidern, sondern in jeder einzelnen Pore des Körpers. Keine Möglichkeit, per Telefon das Ergebnis der Untersuchungen durchzugeben. Und natürlich keine Möglichkeit, meiner Liebsten mitzuteilen, dass ich wohlauf bin und mich weder Löwen noch Krokodile oder gar Moskitos aufgefressen haben. Von denen bekommt man hier ohnehin nicht ein einziges Exemplar zu Gesicht – nur die Moskitos hört man des Nachts um das Netzt schwirren, dass allein vor der vollständigen Blutentleerung schützt und ganz nebenbei auch vor Malaria. Irgendwo gibt es halt immer einen Apfel in jedem Paradies.