Morgen kommt der Nikolaus und ich gebe es jetzt offen und ehrlich zu: Ich liebe Weihnachten. Schön ruhig mit meiner Liebsten und ohne Konsumterror. Also nicht, wie es sich die werbende Industrie vorstellt. Unter unseren Weihnachtsbaum kommt auch in diesem Jahr kein neues Mobiltelefon. Warum auch, mein fast zehn Jahre altes ist immer noch besser als diese ganzen i-phone-Imitationen. Wenn diese Dinger wenigstens Kaffee kochen können, dann würde ich mir auch mal eins zulegen, aber bis dahin sind sie nur nutzlos und nervig.
Noch nerviger ist die Zeit, die jetzt kommt. Das heißt: Für Euch ist sie ja schon längst angebrochen, für mich wird sie erst bei meiner Rückkehr beginnen. Vielleicht sollte ich ja doch hier bleiben.
Einen gemütlichen Samstag in der Fußgängerzone gibt in der Adventzeit nicht mehr. Vor jedem Ladeneingang mindestens zwei Weihnachtsmänner, dazu noch weitere an jeder Straßenecke. Alle zusammen dienen nur dem einen, guten Zweck: Umsatz machen.
Und wir Blödbommel fallen jedes Jahr aufs Neue wieder auf die gleichen alten Maschen rein: die vermeintlich alten Mondpreise dick und fett rot durchgestrichen, dann darunter den vermeintlich neuen Preis gesetzt – das ist der, den der Händler ohnehin haben will zuzüglich mindestens 20% Weihnachtsaufschlag – und schon meinen wir, ein Schnäppchen gemacht zu haben.
Haben wir natürlich nicht, deshalb nennt es der Handel ja auch Weihnachtsgeschäft und nicht Weihnachtsgeschenk. Da wir aber alle Geschenke kaufen wollen oder müssen oder meinen, es zu müssen, heißt es in der Adventzeit „süßer die Kassen nie klingeln“.
Liebe Händler, bitte merkt Euch, wenn ich wieder in Deutschland bin: Es heißt Adventszeit und da will ich nicht mit „Frohe Weihnachten“ begrüßt werden! Die Werbespacken im TV machen das ja schon seit Anfang November. Wann lässt unsere gute, alte katholische Kirche endlich das Wort Weihnachten schützen und verbietet allen Geschäftemachern, dies zu benutzen?
Zurück zum eigentlichen Geschäft: Für den ganzen Blödsinn brauchen wir natürlich viel mehr Geld als in „normalen“ Monaten. Genau dafür bekommen die meisten von uns auch Weihnachtsgeld oder Gratifikationen, manchmal auch Boni und bei einigen Unternehmen fallen die riesig aus, auch wenn man die Bank den Laden direkt in die Pleite führt. 9-Field Trip-3 (227)-klein
Hier in Liberia bekommen nur die UN-Beamten einfach so Weihnachtsgeld. Die Menschen, die hier Zuhause sind, müssen es sich extra hart verdienen. Doch zum Glück sind ja die Menschen im Land, die neben einem ohnehin viel zu hohen Gehalt auch noch eine unverdiente Extraportion für den Weihnachtsblödsinn bekommen. Das muss man halt nur einfach umleiten.
Sehr beliebt sind immer die Stichworte „Schule“ und „Universität“, in Verbindung mit „Lernen“ und „hart arbeiten“. Das geht dann ungefähr so: „Ich werde ab dem nächsten Monat (Dringlichkeit ist wie bei jedem guten Verkäufer wichtig) eine Schule/Uni besuchen und arbeite seit zwei Jahren hart für das Schulgeld. Aber es fehlt noch etwas, und wenn ich lernen muss, kann ich doch nicht mehr arbeiten gehen. Dabei will ich mich so gern weiter bilden, um beim Aufbau des Landes helfen zu können.“ Funktioniert fast immer, da die UN-Beamten immer noch glauben, sie seien im Land, um dieses aufbauen oder gar entwickeln zu können.
Das kann man daran erkennen, dass die UN-Behörden meinen, sie könnten selbst „Hilfsprojekte“ durchführen. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie das Lepra-Hospital von Ghanta aussähe, stünde es unter UN-Verwaltung – wahrscheinlich ein Viertel der Leistung bei fünffachen Kosten. In halbwegs größeren Städten gibt es manche solcher Projekte, in denen sich zuerst jede einzelne der beteiligten Behörden PR-wirksam auf einem teuer produzierten Schild verewigen muss. Und dann immer dieses komische ausgewaschene Blau, muss das sein?
Jedenfalls haben UN-Beamte in Liberia eines gemeinsam: Sie stammen nicht aus dem Land selbst, zumeist nicht einmal aus Afrika und fahren in überdimensionierten, weißen Geländewagen, die allerdings die gut asphaltierten Straßen der Hauptstadt fast nie verlassen. Und sie sind steinreich. Mit meinem Aussehen – obwohl zu Fuß unterwegs – passe ich voll in dieses Beuteschema und habe allein heute schon fünf Mal diese tränenergreifende Geschichte gehört. Weihnachtsgeschäft.
Ich habe diesen Leuten einfach vorgeschlagen, eine Schilder-Werkstatt aufzumachen und die Schilder für die UN-Behörden zu produzieren. Deren Adressen stehen doch auf jedem Schild und Geld haben die genug.