Jetzt habe ich so oft Dinge kritisiert oder mich polemisch darüber geäußert, dass ich damit die ganzen Vorurteile, ich sei ein defätistischer Berufszyniker, eindrucksvoll belegt habe. Nun gut, ich habe dafür ja auch genügend kritische Rückmeldungen bekommen: Sieh nicht alles immer so negativ, schreib doch mal über die schönen Dinge, oder so ähnlich. All das, was meine Mutter mir auch immer sagt.
Wer mich kennt, der weiß, dass ich trotzdem genauso weitermache wie bislang – siehe Teil 1 des heutigen Tages. Was Unrecht ist, muss auch so benannt werden! Aber trotzdem kann ich nicht umher, doch einmal etwas zu loben. Und zwar genau aus dem Grund, weil viele Menschen Zuhause in Deutschland meinen, dass genau diese großen Unternehmen die wahren Ausbeuter in Afrika seien und nicht das angeblich doch so tolle, weil offiziell sich selbst ja kommunistisch nennende China. 11-Firestone-Harbel-2 134-klein
Wer von Monrovia nach Ghanta fährt, muss mehrere Checkpoints passieren. Meist sitzen deutlich gelangweilte Polizisten neben der Straße im Schatten und lassen für ein geringes Salär ein paar Leute aus dem nächsten Dorf für jedes Auto die Schranke öffnen. Warum überhaupt die Checkpoints, wo doch kein Fahrzeug kontrolliert wird, ist bis heute ein Mysterium.
Direkt hinter Harbel allerdings ist ein Checkpoint, an dem richtig kontrolliert wird, weil nicht durch Beamte. Hier beginnt Firestone. Auf den nächsten 40 Kilometern fährt man über Privatbesitz bis zum nächsten Checkpoint, danach wird die Straße auch wieder deutlich schlechter. Den größten Teil des für seine Reifenproduktion benötigten Kautschuks baut das Unternehmen selbst an, und zwar hier in Liberia, seit über 80 Jahren.
Wir geneigt skeptischen Westeuropäer denken da natürlich zuerst an „Ausbeutung“, weil wir alte Geschichten von US-Unternehmen in Lateinamerika im Kopf haben, zumeist sogar haben wir dieses „Wissen“ aus Filmen. Doch fragt mal einen Liberianer hier in Harbel zu Firestone: „I’m proud to be a Firestone“, wird die Antwort lauten. Selbst in weiter entfernten Regionen träumen die Menschen davon, für dieses Unternehmen arbeiten zu dürfen, selbst einer der Feuersteine zu werden.
Das hat natürlich seine Gründe: Da sind die rund 2.000 Häuser, die Firestone für seine Arbeiter gebaut hat. Und Menschen im Steinbruch haben mir verraten, dass die Steine für diese Häuser auf dem lokalen Mark gekauft wurden, also nicht aus Kinderarbeit stammen. Neu, sauber, gepflegt und geräumig. Familie Feuerstein muss nicht Fred und Wilma heißen, um hier glücklich zu sein.
Da sind die Schulen, die ebenfalls neu gebaut wurden. Kinder der Feuersteine müssen hier kein Schulgeld bezahlen, nicht einmal für die Highschool. Auf staatlichen Schulen ist nur die Elementary School kostenlos – die geht bis zum sechsten Schuljahr. Die meisten Liberianer können sich mehr einfach nicht leisten, daher ist das Bildungsniveau sehr gering.
Eine Highschool kostet rund 2.000 Liberianische Dollar pro Jahr – rund 20 Euro. Klingt für uns in Deutschland nicht viel, für die meisten Menschen hier aber ein halbes Monatsgehalt. Kinder der Feuersteine bekommen gratis diese Ausbildung, die etwa dem deutschen Abitur entspricht. Dazu gibt es für die ganze Familie kostenlose medizinische Versorgung und für die Arbeiter eine Pension ab dem 65. Lebensjahr – eine funktionierende Sozialversicherung. 11-Firestone-Harbel-2 144-klein
Und nicht zuletzt bezahlt das Unternehmen seine Arbeiter auch noch sehr großzügig, setzt damit Maßstäbe gegen Dumpinglöhne, die andere Unternehmen ihren Mitarbeitern anbieten. Doch wer halbwegs gut ausgebildetes Personal in der Nähe von Firestone sucht, wird besser bezahlen müssen als in anderen Regionen. So kann sich die Gesellschaft weiter entwickeln.
Dass auch die Consolata-Schwestern mit ihrem Projekt hier in Harbel davon profitieren, ist fast selbstverständlich. Am Rande des riesigen Kautschuk-Walds liegt das Haus der Schwestern. Strom und Wasser – das sogar so sauber, dass man es aus der Leitung trinken kann – bekommen sie nicht nur gratis, sondern beinahe 24 Stunden am Tag. Das ist hier schon fast ein Wunder und wird nur dadurch gestört, dass manchmal ein LKW aus dem Steinbruch ein Stromkabel abreißt. Aber das ist eine andere Geschichte und wurde bereits erzählt.
Gut, den traumhaft schönen firmeneigenen Golfplatz kann sich Feuerstein Jonathan auch nicht leisten – der Arbeiter, der mir zeigt, wie man den Kautschuk erntet, ohne die Bäume zu zerstören. Aber das ist in Deutschland ja auch nicht anders.
Neun schön gestaltete Löcher, eine kleine Runde würde mich jetzt schon reizen, aber ich habe Wichtigeres zu tun: Ich packe nun meine Tasche und dann geht es ab zum Flughafen. Morgen werde ich wieder in Deutschland landen und meine Liebste wird mich begrüßen. Und die werde ich auf keinen Fall warten lassen, die wunderbarste aller Frauen dieser Welt.