„Was stört mich mein dummes Geschwätz von gestern“, hat in Deutschland mal ein ziemlich bekannter – und trotzdem überaus beliebter – Politiker die Frage beantwortet, wann er denn gedenke, seine Wahlversprechen einzulösen. Geschadet hat es ihm offenbar nicht, denn dieser Mann an der Spitze der Bundesregierung wurde mehrmals wiedergewählt. Welche Qualitäten dafür ausschlaggebend waren, kann ich allerdings so schnell nicht beantworten, da ich zu diesem Zeitpunkt noch ein Funkeln in den Augen meines Vaters war. Menschärgeredichnicht-01
Heutzutage wäre eine solche Aussage ein Skandal. Zumindest so lange, wie die unvermeidliche Claudia Roth benötigt, um auch den unnötigsten Kommentar zum langweiligsten Thema in das nächstbeste Mikrofon zu jammern. Höchstens zwei Stunden später wäre die Geschichte allerdings wieder vergessen, denn irgendwie werden sich alle schnell erinnern, dass es doch schon immer so war und lieber nichts mehr dazu sagen, weil sie es selbst ganz genauso halten.
Mal ehrlich: zählen Sie noch mit, wie oft Sie sich in den vergangenen Jahren über Wahlversprechen geärgert haben? Eigentlich sind die doch genauso überflüssig wie die Werbung von Möbelhäusern mit angeblich hohen Rabatten: Jeder weiß, dass die Preise vorher extra für die Rabatte frei erfunden wurden und die Ware trotz „Rabatt“, „Sonderrabatt bei sofortigem Kauf“ oder „Zusatzrabatt bei Kauf ohne weitere Fragen“ immer noch teurer ist als in kleineren Fachgeschäften mit professioneller Beratung und ehrlich kalkulierten Preisen.
Trotzdem fallen jedes Jahr Millionen eigentlich intelligenter Menschen darauf rein. Ganze Heerscharen von Psychologen beschäftigen sich bereits damit – nicht zum Wohle von uns Kunden, sondern damit die Masche der Unternehmen auch in Zukunft weiter läuft wie geschmiert. Und jedes Wahljahr glauben wir weiterhin den Wahlversprechen. Warum würden sich so viele Politiker ansonsten diese Blöße geben und uns das versprechen, was wir zwar gerne hören wollen, sie aber realistisch gesehen gar nicht erfüllen können?
Auch in Senegal müssen sich die Politiker alle Jahre wieder zur Wahl stellen und auch hier hat die Unsitte von Wahlversprechen bitteren Einzug gehalten. Die Opfer, die nach einer Wahl vergebens auf die Wohltaten warten, sind zumeist die ärmsten der Armen: zum Beispiel alleinstehende Mütter, Menschen mit Behinderung, alte Menschen und natürlich die Einwohner der Lepradörfer.
Warum das so ist? – Ganz einfach: Erstens gibt es sehr, sehr viele arme Menschen, also sehr, sehr viele Wähler, sofern sie den Versprechungen glauben schenken sollten. Ist das der Fall, und das ist er fast immer, werden zweitens diese armen Menschen nicht zu einer so großen Gefahr wie die wenigen Reichen, die über Macht und Einfluss verfügen und natürlich auch genau ihre Rechte kennen.
In der Nähe von Thies besuchen wir ein Behindertenzentrum – also, das, was es mal werden soll. Die Gebäude sind seit drei Jahren fertig, aber das Geld für den Betrieb des Zentrums wurde dummerweise während einer Wahlkampftour versprochen. So sitzt der Direktor mit wenigen Mitarbeitern in einem wunderschönen Gebäude und sorgt wenigstens dafür, dass dieses nicht verfällt.
Dabei könnte die Region dieses Zentrum für berufliche Aus- und Weiterbildung von Behinderten gut brauchen: überall begegnen uns die Menschen, die seit drei Jahren auf eine Perspektive warten. Zwei an Lepra erkrankte Kinder bringen uns schließlich auf andere Gedanken, diese Geschichte ist so spannend und geht so tief unter die Haut, dass sie unbedingt an anderer Stelle ausführlich erzählt werden muss.
Doch dann geht es „endlich“ zurück nach Dakar. Ich hätte noch viele weitere Tage durch dieses schöne Land reisen können, um mir die spannenden Geschichten der Menschen anzuhören, die dringend Hilfe benötigen. Aber auch die Menschen, die durch die DAHW Hilfe bekommen haben und jetzt überschwänglich ihre Dankbarkeit zeigen. Doch die Ausdauer meiner Begleiter und die Zahl der noch frischen Wäschestücke zwingen uns zum Ende dieser Tour. Und schließlich geht es morgen ja schon weiter nach Sierra Leone, auch dort gibt es Spannendes zu erleben.
Den Abend genießen wir nicht wirklich, weil viele Vorbereitungen für die nächsten Aktionen schon dringend warten, aber etwas müssen wir noch erledigen: Den Ärger ertragen, den uns diverse Wahlverspechen bereiten. Dabei hilft ein Spiel, das die beiden an Lepra erkrankten Jungen gerne, oft und auch mit uns gespielt haben: Das gute, alte „Mensch, ärgere Dich nicht“. Die senegalesische Version sieht nicht wirklich anders aus – abgesehen davon, dass die Spielfiguren nicht immer gleich aussehen, weil sie aus allen nur erdenklichen Quellen zusammengesammelt wurden. Aber der titelgebende Sinn des Spiels ist der gleiche wie bei uns und auch hier nur allzu oft dringend notwendig.