Ein Besuch im „Starbucks“ hat mich schon vor längerer Zeit an der möglichen, aber immer unwahrscheinlicher werdenden Intelligenz der Menschen zweifeln lassen: Keine Kellnerinnen mehr, stattdessen Selbstbedienung. Keinen Kaffee, Cappuccino oder Café au lait mehr, dafür aber reichlich Sorten Latte mit allerlei Gedöns. Und dann auch noch verdammt teuer. Muss nicht sein, denke ich, denn der angebotene Kaffee (ich nenne ihn mal so, weil den Namen von der Karte sich eh kein Mensch merken kann) hat meine Geschmacksknospen beleidigt. Field Trip-1 296-klein
Über Geschmack kann man ja bekanntlich gut streiten, und das sollte man auch. Aber das Fehlen jeglicher Kultur um das Getränk aus von Röstaromen durchflutetem Waser stimmt mich doch traurig. Schließlich ist kaum ein anderes Getränk derart sozialisiert. Kaffee-Kulturen sind ebenso schnell auf- wie untergegangen und haben neue geschaffen – zumeist bessere, manchmal aber leider auch so etwas wie Starbucks oder gar Nescafe.
Dieses von einem als „Lebensmittel“-Hersteller getarnten Chemiekonzern industriell produzierte Pulver soll in Waser aufgelöst in Geschmack, Optik und Wirkung dem Kaffee sehr nahe kommen. Um jetzt nicht wieder lang schildern zu müssen: Es kommt ihm nicht mal ansatzweise nahe! Aber es vereinfacht die Herstellung von Kaffee enorm für Menschen, die sich damit nicht auskennen.
Nun sitze ich gerade im Flieger der Air France, der mich nach einem Stopp in Paris nach Liberia bringen soll. Air France, Frankreich, das klingt nach gutem Essen und nach einer Kaffee-Kultur, die diese Bezeichnung auch noch verdient. Da wir schon vor sieben Uhr gestartet sind, bekommen wir kurz nach dem Start schon unser erstes Croissant, garniert mit der Frage ob man dazu lieber Kaffee oder Tee haben möchte.
„Kaffee, intravenös“, lautet natürlich meine Antwort. „Mit Milch?“ Die Frage lässt mich nur leicht stutzen, kommt sie doch eigentlich erst, wenn der Kaffee in der Tasse dampft. Aber diese Kellnerin hat zwei Becher in der Hand, auf denen der Aufdruck „Nescafe“ zu lesen ist. Tapfer hoffe ich noch: „Mit Milch, beide Becher.“ Sie stellt einen Becher zurück, reißt bei dem verbliebenen eine Alufolie ab und gießt heißes Wasser hinein. Industriell gefertigte Koffeinplörre mit pulverisiertem Milcheiweiß. Der Gang zur Flugzeugtoilette erspart mir weitere Diskussionen um das Rückgaberecht eines Produkts, das ich nicht bestellt hatte. Mopped-Tanke Liberia-klein
Mit etwas Überredungskunst bekomme ich später dann doch noch einen richtigen Kaffee, aus richtigen Kaffeebohnen, „afrikanisch“, betont die Kellnerin. Schließlich landet der Flieger in Liberia, und auch dort wird Kaffee angebaut. Aber wie so oft haben auch hier die Schuster die schlechtesten Schuhe – will heißen: Auch, wenn die Menschen her guten Kaffee produzieren, müssen sie ihn noch lange nicht zubereiten können.
Als ob Liberia mal eine britische Kolonie gewesen und nicht eine der ersten Staatsgründungen des afrikanischen Kontinents gewesen ist, gibt es auch im Hotel zum Frühstück Nescafe. Zwar steht auf der Packung irgendein anderer Name, aber jeder hier sagt einfach nur Nescafe. Wie Tempo statt Taschentuch. Und genau so schmeckt es auch.
Morgen geht es nach Ghanta in das dortige Hospital, in dem die DAHGhanta-2 156-kleinW seit wenigen Monaten erstmals seit dem Bürgerkrieg wieder ein Lepra-Kontrollprogramm eingeführt hat. Liegt im Norden an der Grenze zu Guinea, maximal drei Stunden am Tag gibt es dort in der Provinz Strom. Internet? Mal schauen, ob ich irgendwo eine Möglichkeit finde. Dafür gibt es aber zwei Hoffnungen, die mich erfreuen: Erstens werde ich dort viele Menschen sprechen können, deren Lepra-Erkrankung jetzt endlich behandelt wird. Das sind dann die Momente, in denen ich dankbar bin, diese Arbeit machen zu dürfen. Und zweitens – deutlich profaner: Das Hospital wird von italienischen Nonnen geleitet und die dürften mit Sicherheit Nescafe aus ihrem Blickfeld verbannt haben. Und selbst, wenn es anders kommen sollte, ist das doch eine so unwichtige Belanglosigkeit bei allem, was es hier zu sehen und zu erfahren gibt.