Üblicherweise sind Änderungen bei lange bestehenden und liebgewonnenen Regeln in Deutschland nicht so ganz einfach. Wer gibt schon gerne her, woran er sich schon lange gewöhnt, auch wenn es ihm weder gehört noch zusteht? Das man sich trotzdem – auch unter trickreicher Umgehung oder gar bewusstem Verstoß aller geltenden Gesetze – nimmt, was einem angeblich zuzustehen scheint, ist nur eine Lösung. Zugegeben ist sie illegal, aber diversen bekannt gewordenen Chefs von ehemaligen Staatskonzernen oder anderen Kriminellen scheint dies offenbar egal zu sein.Fähre-01-klein
 Wer noch zumindest manchmal auf sein Gewissen hört, baut auf eine andere Methode und gründet flugs eine Bürgerinitiative. Gefühlt 100 Mio. dieser Kleinlobbyistenvereine gibt es in Deutschland – für oder gegen alles, was auch nur irgendwie liebgewonnen war, ist oder werden kann. Soll ein liebgewonnener Vorteil abgeschafft werden, sind es zahllose dieser Vereine, die uns sogleich den Weltuntergang prophezeien, sollte auch nur ansatzweise daran gerüttelt werden.
 Vor einigen Jahren ging es einmal um Zahnersatz, der nun nicht mehr voll und ganz von den Krankenkassen bezahlt werden sollte. Noch bevor wir Normalsterblichen uns ein genaueres Bild von dieser Lage machen konnten, verkündeten diverse Interessenvertreter schon das Ende des Sozialstaates, man werde „arme Menschen am Gebiss erkennen“.
Was aus dieser Geschichte geworden ist, könnte allein schon eine Glosse füllen, aber heute bin ich in Kolda, im Süden des Senegal, einer der ärmsten Städte Senegals, einem ohnehin schon armen Land. Weil sich die Region südlich des Gambia-Flusses (und des gleichnamigen Landes, dass sich wegen der kolonialen Aufteilung Afrikas wie ein dünner Schlauch am Fluss entlang durch Senegal zieht) von der Regierung im Norden vernachlässigt fühlt, gibt es hier seit vielen Jahren Gruppen, die für eine Unabhängigkeit kämpfen.
Als wir in Kolda aufbrechen und Richtung erst nach Ziguinchor im äußersten Südwesten, von dort dann wieder nach Norden fahren, müssen wir – wie schon auf der Fahrt nach Kolda – äußerst vorsichtig sein. Nicht alle „Rebellen“ kämpfen für die Unabhängigkeit oder andere politische Ziele, wie fast immer in der Weltgeschichte nehmen die meisten dies nur als Vorwand, um sich selbst zu bereichern. „Straßenräuber“ wäre also wohl die zutreffende Bezeichnung.
Die Straßenräuber im Süden Senegals sind zwar ziemlich unberechenbar in ihrem Erscheinen, haben aber eine Art Ehrenkodex: Fast nie kommt eines ihrer Opfer zu körperlichen Schäden, für uns Mitteleuropäer, die gegen so ziemlich alle Unwägbarkeiten Vollkaskoversichert sind, wäre ein Überfall also höchstens ärgerlich.
Trotzdem wollen wir natürlich diesem Ärger aus dem Weg gehen und durchsuchen das Auto nach allen möglichen, besonders aber unmöglichen Stellen, um das, was uns lieb und besonders teuer ist, auch sicher verstecken zu können. Wir wissen, dass auf der Strecke alle paar Kilometer Militärpostenstehen, und das wissen die Räuber auch. Dementsprechend kurz sind nach den vorliegenden Berichten auch immer die Überfälle und das scheint auch der Grund zu sein, warum die Banditen zwar mit ihren Waffen drohen, diese aber nur sehr ungern einsetzen, um nicht die Soldaten zu alarmieren.
Nie zuvor habe ich geglaubt, wo man überall diverse Wertsachen verstecken kann und deutsche Zollbeamte könnten von unserem Fahrer in diesem Zusammenhang noch eine Menge lernen. Ich vermute, dass die Gepäckschnüffler am Flughafen, die meine Tasche durchwühlt hatten, schon mal hier gewesen sind. Erst hinter der Grenze nach Gambia, als wir auf die Fähre über den großen Fluss warten, sammle ich langsam die einzelnen Teile meiner Fotoausrüstung wieder aus den diversen Ablagen zusammen.
Die einmalige Atmosphäre bei der Überquerung einzufangen, war nicht ganz einfach: Was sollte ich zuerst ablichten – die Fähre selbst, quasi als Beweisführung des Erfolges afrikanischer Gelassenheit über die deutsche Gründlichkeit der peniblen ADAC-Tester? Immerhin beruhigend, dass es heute den ganzen Tag wie aus Kübeln regnet und die „Lacoste-Retungsboote“ in dieser für ihren Nahrungsbedarf günstigen Zeit faul und satt am Ufer liegen, wie man mir versichert.
Dann sind da noch die vielen Menschen auf der Fähre, die zumeist aus dem armen Süden Senegals stammen und sich im Norden – vorzugsweise am Rand der Metropole Dakar – ein besseres Leben erhoffen. Und immer wieder entdecke ich, dass diesen Menschen an den Zähnen anzusehen ist, dass sie aus einer der ärmsten Regionen stammen.
In Kolda und Umgebung ist Trinkwasser zwar ausreichend vorhanden und biologisch auch überwiegend sauber, aber es hat eine deutlich sichtbare gelbe Färbung. Wahrscheinlich sind es Mineralien, die das Wasser einfärben, aber Gold dürfte es nicht sein – andernfalls wäre die Gegend wohl überlaufen von Glücksrittern. Jedenfalls ist die Färbung so intensiv, dass die Zähne der Menschen hier sich über die Jahre gelb färben.

In Kolda und Umgebung ist Trinkwasser zwar ausreichend vorhanden und biologisch auch überwiegend sauber, aber es hat eine deutlich sichtbare gelbe Färbung. Wahrscheinlich sind es Mineralien, die das Wasser einfärben, aber Gold dürfte es nicht sein – andernfalls wäre die Gegend wohl überlaufen von Glücksrittern. Jedenfalls ist die Färbung so intensiv, dass die Zähne der Menschen hier sich über die Jahre gelb färben.
Wer so deutlich gelbe Zähne trägt, wird in Senegal sofort erkannt als jemand, der aus dieser armen Region stammt. Doch hier drehen die Menschen ihr Markenzeichen ins Positive: Sie sprechen vom „Gold von Kolda“, das nur diejenigen im Mund tragen dürfen, die auch schon lange hier leben.