Das Zusammenleben von Mann und Frau gehört bekanntlich zu den vielen Mysterien des menschlichen Lebens, die wohl niemals gänzlich geklärt werden können. Niemals im Leben werden die Frauen mit dem zufrieden sein, was wir Männer ihnen bieten – so versichern wir jedenfalls auf langwieriger Erfahrung. Wir hingegen werden wohl niemals verstehen, was die Frauen genau haben wollen, wie sie es von uns glauben.
Kommunikativ ist das Problem wohl kaum zu lösen, denn dafür müssten wir es erst einmal verstehen. Nehmen wir zum Beispiel eine Damenhandtasche – physikalisch gesehen schon ein Mysterium an sich: Niemand würde beim Anblick von außen auch nur annähernd erahnen können, welche Mengen sich darin verbergen können, schon gar nicht als Mann. Und fragen sie mal einen Mann, was die Handtasche seiner Frau alles enthält, dann setzt nach der ersten Antwort „meine Kreditkarte“ ganz schnell eine sehr lange Denkpause ein. Webervogel-01
Frauen hingegen können nicht nachvollziehen, warum wir Männer uns so gerne in Baumärkten herumtreiben – bei einer ganz bestimmten, wenn auch äußerst seltenen Spezies Mann sogar in der extremsten Variante: Sie schauen sich tatsächlich die vielen dümmlichen Verkaufsvideos an, die zu Dutzenden in jedem Gang von den Bildschirmen dudeln und deren Teleshopping-Ton jegliche Unterhaltung unmöglich macht. Es gibt inzwischen Theorien, dass gerade dies der Grund ist für unser Bedürfnis, ziellos durch Baumärkte zu schlendern, aber das ist immer noch nicht gänzlich bewiesen.
Beim afrikanischen Webervogel ist die Sache ähnlich, aber viel einfacher: Der Mann muss in harter, wochenlanger Arbeit ein kompliziertes Nest aus zahllosen Grashalmen bauen – mit dem Eingang nach unten und auf äußerst biegsamen Zweigen, die schon das Anbringen des Fundaments fast unmöglich machen. Wir bastelnden und heimwerkenden Männer aber wollen nicht jedes auftauchende – unserer Meinung nach kleine – Problem ausdiskutieren, sondern so lange weiter basteln, bis wir entweder entnervt aufgeben oder voller Stolz dann doch noch ein fertiges Ergebnis präsentieren können.
Bei Familie Weber-Vogel läuft es zumeist auf die zweite Variante hinaus, daher dauert der Nestbau auch einige Wochen. Dann aber, wenn das Haus fertig ist und der Mann sich stolz zurück lehnen will, schlägt die Stunde von Frau Weber-Vogel: Gründlicher als ein Spieß beim Bund inspiziert sie das neue Heim und fällt zumeist ein ernüchterndes Ergebnis: Diese Behausung reicht ihr nicht aus! Doch damit nicht genug der Demütigung für Herrn Weber-Vogel: Sie reißt und zerrt an den Halmen, bis auch kein einziger von ihnen mehr im Baum hängen bleibt und der Göttergatte wieder ganz von vorn beginnen muss.
Nach unserem Besuch im Lepradorf Mballing beziehen wir für die Nacht ein Quartier in Mbour, einer größeren Stadt an der Küste, rund 80 km südlich von Dakar. Die Auswahl an preiswerten Hotels ist groß, und nachdem wir eines gefunden haben, in der eine Übernachtung auch wirklich möglich ist, freuen wir uns auf etwas mehr Schlaf – die letzten Tage auf Tour quer durch das Land in die zahlreichen Projekte war doch recht anstrengend.
Sauber und gepflegt, das ist unser erster Eindruck, der uns nicht täuschen soll, aber beim Versuch, schlafen zu gehen, folgt eine erste Ernüchterung: Keine Moskitonetze und auch keine Möglichkeit, eines aufzuhängen. Als Mann ist natürlich mein erster – baumarktgesteuerter – Gedanke: Ein Königreich für eine Hilti! Der zweite Gedanke hingegen ist etwas nüchterner: Die Bungalows hier sind nur eingeschossig, die Decken dünn, wir haben Regenzeit, … Keine gute Idee!
Also muss es halt so gehen: Alle Fenster schließen und verdunkeln, dann mit Taschenlampe und – in Ermangelung einer Zeitung – Handtuch bewaffnet auf Mückenjagd gehen. Geschätzte 10 tote Mücken bei 20 Versuchen, ein stolzes Ergebnis und der fast sichere Garant für eine erholsame Nachtruhe.
„Bsssssss…, Bsssssss…“, Das leidige Geräusch will mich einfach nicht einschlafen lassen – habe ich etwa eine Mücke vergessen? „Bsssssss…, Bsssssss…“, jetzt auch in einer etwas tieferen Tonlage – das Mistvieh hat sich mit seinem großen Bruder Verstärkung geholt. Größere Schwester, muss ich mich schnell korrigieren, denn schließlich sind ja nur die Mückenfrauen auf unser Blut aus – Zufall?
Als ich gerade wieder die Taschenlampe einschalten will, spüre ich einen Juckreiz am linken Oberarm, kurz danach auch gegenüber und an zahlreichen weiteren Stellen. Wie oft können zwei so kleine Viecher eigentlich stechen? Ab aus dem Bett und die Wände entlang, wieder: Zack – eins, zack – zwei, zack – drei, zack, zack, … diesmal erwische ich fast 20 Stück. Wie blind war ich eigentlich bei meiner letzten Massenhinrichtung der Mücken? Jetzt aber ab in die Falle, in ein paar Stunden geht es weiter.
„Bsssssss…, Bsssssss…“ Nein, bitte nicht – leider aber doch! Ich höre inzwischen auf, Einstiche bei mir oder Einschläge an den Wänden zu zählen. Meine letzte Lösung: ein Vollbad in Autan! Dann noch die Ohren zustopfen, um das „Bsssssss…, Bsssssss…“ nicht mehr hören zu müssen, und tatsächlich: Zumindest für eine kurze Zeit finde ich tiefen Schlaf.
Beim ersten Sonnenschein sehe ich die Wurzel des Übels: Ich habe zwar die Fenster fachmännisch verdunkelt, aber der Türrahmen hat Spaltmaße wie ein 50 Jahre altes italienisches Auto, durch den jetzt zwar keine neuen Mücken mehr, dafür aber die Strahlen der aufgehenden Sonne kommen. Diesen Bungalow – zumindest den Türrahmen – hat bestimmt keine Frau zur Bauabnahme inspiziert.
Also raus in die aufgehende Sonne, während die blutsaugenden Frau Mückens im dunklen Bungalow bleiben müssen. Aus einem der Bäume fällt mir prompt ein Haufen von Grashalmen vor die Füße, der fast aussieht wie ein Vogelnest. Der Blick nach oben klärt die Situation: Ein ganzer Baum voll mit Vogelfamilien der Webers. Und gerade eben wurde mal wieder der stolze Heimwerkerversuch eines Mannes am Boden zerstört. Nach einer Nacht mit unzähligen Mückenfrauen gilt diesem armen Mann mein vollstes und aufrichtiges Mitgefühl.