Der gemeine Banker (Neusprech: „Bänker“) an sich ist ja seit einiger Zeit nicht mehr so angesehen wie früher, als die Eltern uns immer dazu gedrängt hatten, doch eine Lehre bei als Sparkassenbeamter zu machen, mindestens aber als Angestellter bei einer Volks- oder Raiffeisenbank. Von den privaten Banken war niemals die Rede, die galten nur als Institute für die Großkopferten, dort waren die oberen Zehntausend unter sich, wer auch immer die gezählt haben mag. DAHW-Bank-01
Nun haben inzwischen nicht nur die Mitarbeiter der Sparkassen ihren Beamtenstatus verloren, sondern die privaten Banken die Lufthoheit über die Finanzbranche übernommen. Geld ist dort beileibe nicht mehr nur ein Zahlungsmittel, also ein Mittel zum Zweck, sondern zum Selbstzweck an sich erhoben worden. „Geld arbeitet“ heißt seit einigen Jahren die Devise und die Devisen haben sich längst von Zahlungsmitteln bei Reisen zu Objekten der Begierde entwickelt.
Dass der Geldkreislauf nun wirklich ein Kreislauf ist und keine Spirale, die sich auf wundersame Art und Weise wie von Zauberhand immer weiter in die Höhe schraubt, wurde vielen Menschen aber erst klar, als die Banker, denen sie zuvor blind vertraut hatten, plötzlich so seltsam still geworden sind. Die noch gestern so hoch gelobten Zertifikate, von denen wohl kaum einer, der sie für viel Geld gekauft hatte, wirklich wusste, was sich alles in dieser Wundertüte befindet, waren ganz plötzlich wertlos. Nicht einmal eine Abwrackprämie konnte man damit noch einheimsen. Das Mitleid der Menschen, die ihr weniges Geld weiterhin als Zahlungsmittel einsetzen mussten, um soeben über die Runden zu kommen, hielt sich daher in deutlich sichtbaren Grenzen.
Nun haben die großen Finanzkonzerne in ihrem Globalisierungs- und Gleichförmigkeitswahn in den vergangenen Jahren auch den afrikanischen Kontinent im Handstreich eingenommen. Das war sogar noch einfacher, als uns Europäern die Schrottpapiere verkaufen zu können: Die guten, alten – von vielen Bankern als altmodisch verspotteten – Sparkassen gab es hier überhaupt nicht.
In den halbwegs größeren Städten Senegals prangt an jeder Straßenecke ein Werbeplakat, wie einfach doch der Kredit bei diesem oder jenen Institut zu bekommen oder wie sicher das Geld bei genau dem gleichen Unternehmen angelegt sei. In den kleineren Städten und Dörfern findet man diese Werbung nicht – es wäre auch vergebens, denn dort wohnen nur Menschen, die ohnehin kein Geld haben. Der Grundsatz „Wer kein Geld hat, bekommt von uns auch keines“ ist aber mindestens so alt wie das Gewerbe selbst.
Im Lepradorf Peycouck sind einige der Einwohner daher zur Selbsthilfe geschritten: Sie haben einfach ihre eigene Bank gegründet, genauer: eine Sparkasse, oder noch genauer: eine Genossenschaftsbank. Viele Menschen haben ihre kleinen, meist sehr kleinen, Ersparnisse zusammengelegt und damit ihre kleine Sparkasse ins Leben gerufen. Die Zinsen für Kredite sind niedriger als bei den großen Banken, die für Guthaben höher.
Mitmachen können aber nur diejenigen, die auch wirklich „mitmachen“, die eine – wenn auch manchmal sehr kleine – Einlage abliefern und die in einem der umliegenden Dörfer wohnen. Fast alle beteiligen sich an den Versammlungen und wählen dabei jedes Jahr einen Vorstand, einen Geschäftsführer und ein Komitee, das bei eventuell auftretenden Problemen Entscheidungen treffen muss.
Die treibenden Kräfte hinter der Gründung dieser Sparkasse waren die Sozialarbeiter der DAHW, die schon viele Selbsthilfegruppen gegründet und auch zu wirtschaftlichen Erfolgen geführt haben. Zum Dank dafür steht in Senegal nun die erste und einzige „DAHW-Bank“, denn die Mitglieder haben als erste Aktion entschieden, das Logo mit dem Brezel auf ihre stolze Sparkasse zu malen.
Wie in allen Projekten werden wir auch von dem Komitee der Sparkasse herzlich empfangen. Gerne lauschen wir den Ausführungen, welche Kleinunternehmer mit ihrer Hilfe ihre Existenzen gründen konnten und noch viel lieber hören wir zu, dass sogar die Mitglieder von der Bank profitieren: Vom Gewinn, der selbst bei fairer Behandlung der Kunden aufläuft, werden nicht nur Investitionen bezahlt oder die Rücklagen aufgestockt. Wenn noch etwas mehr übrig bleibt, bekommen alle Mitglieder sogar eine Dividende – jeder den gleichen Teil.
Abends im Hotel entdecken wir auf der Veranda vor den Zimmern einige Bänke, die zum gemütlichen Verweilen einladen. Spontan beschließen wir, heute mal ganz einfach auf diesen wunderschönen Bänken unser Abendessen als Picknick zu veranstalten. Unsere Blicke schweifen dabei über die Straßen mit den vielen Werbeplakaten und den dahinter stehenden Banken.
Wir fragen uns, ob die Banker dort eigentlich wissen, dass sie auf das völlig falsche, weil in den reichen Ländern bereits gescheiterte Konzept setzen. Doch beim genüsslichen Biss in ein frisches Baguette ist es uns auch egal, unser Mitleid mit diesem Berufsstand hält sich ebenfalls in überschaubaren Grenzen. Wir genießen unsere Bank, die in diesen Minuten wohl bequemste Bank im ganzen Land, aber trotzdem höchstens die zweitwichtigste.