Sophie Sacs 02-kleinEbenfalls heiß diskutiert in Deutschland wird derzeit das Wetter. Sind die Temperaturen bis knapp 40 Grad, die wir in den vergangenen Wochen hatten, jetzt die Vorboten oder gar die Belege für den sogenannten Klimawandel? – Wir wissen es nicht und werden es wohl auch niemals genau wissen, solange wir das Wetter nicht aktiv verändern können, und das sollten wir lieber gar nicht erst versuchen!
Jedenfalls ist es in Senegal nicht deutlich heißer als in Deutschlands „Jahrhundertsommer“, oder wie die Menschen hier sagen: Es ist derzeit ausgesprochen kühl. Sinken die Temperaturen abends sogar mal unter 30 Grad, ziehen viele Leute schon Jacken über. Selbst der Sonntag am Strand ist derzeit eher eine willkommene Abwechselung vom Alltag als eine Abkühlung – wie auch, die Wassertemperatur liegt deutlich über der eines Kinderplanschbeckens in einem deutschen Freibad.
Dafür gab es eine gute Nachricht vom Flughafen: Meine Tasche ist da, mit nur einem Tag Verspätung und nicht den sonst üblichen drei Tagen. Dieser Umgang mit dem Gepäck erklärt auch, warum die Passagiere auf dem Flug nach Dakar auch alle so viel Handgepäck dabei hatten. Kaum ein Sitzplatz, auf dem man genüsslich seine Beine etwas weiter ausstrecken konnte, weil fast immer ein großes Gepäckstück darunter lag. Wer die Strecke öfters fliegt, weiß halt, wie man sich Ärger vom Hals halten kann.
Ich begebe mich jedenfalls zum Flughafen, um meine Reisetasche in Empfang zu nehmen, aber das gestaltet sich nicht so ganz einfach. Schließlich muss ich ja „rückwärts“ in den Flughafen rein, also zur Gepäckausgabe, die ja bekanntermaßen hinter der Zollgrenze liegt. Und rückwärts diese Zollgrenze passieren ist ja schon fast ein Ding der Unmöglichkeit bei Beamten, die nur eine Order haben, nämlich die Passagiere in „normaler“, also von mir aus gesehen umgekehrter Richtung, zu kontrollieren.
Das nette Gespräch mit einem Beamten, der uns eigentlich nur erklären will, dass wir uns dort, wo wir gerade stehen, überhaupt nicht aufhalten dürfen, bringt den Durchbruch. Nach kurzer Debatte sieht dieser Mensch ein, dass er uns schneller los wird, wenn er uns halt rückwärts passieren lässt. Die Tasche selbst zu finden, ist dann ein Kinderspiel: Ich frage den Gepäckbeauftragten einfach nach einer sehr, sehr schweren Tasche, die keine Rollen hat, die man daher tragen muss und daher genau weiß, wie schwer sie ist.
Da steht sie also, die Tasche mit dem so lang ersehnten Inhalt. Nach über einem Tag bei diesem Wetter lernt man die Vorzüge von Zahnbürsten und frischer Unterwäsche noch mehr zu schätzen als in jeder voll besetzten U-Bahn. Noch schnell den restlichen Papierkram und dann los, ohne genau auf die Tasche zu achten.
Dass diese Eile ein Fehler war, stellt sich heute früh auf grausame Art und Weise heraus: Zwar ist die Unterwäsche komplett und auch mein Waschzeug vorhanden, aber so manches Ding hatte ich doch eigentlich eingepackt, oder? Und halt: Wieso konnte ich gerade die Tasche aufmachen, ohne den Schlüssel in die Hand nehmen zu müssen?
Der geschulte Blick, zu dem man nur kurz nach dem Aufstehen fähig ist, zeigt deutlich: Das kleine Vorhängeschloss wurde geknackt – es fehlt vollständig. Ob am Flughafen in Frankfurt (können Automaten eigentlich Schlösser knacken?), in Brüssel oder in Dakar – ich habe keine Ahnung. Ob dies im Auftrag der „Sicherheit“ geschehen ist oder einfach nur jemand seine Urlaubskasse aufbessern wollte – ebenfalls unklar. Normalerweise müsste der Zoll doch die Tasche deutlich kennzeichnen, wenn er sie geöffnet hat, aber dafür müsste ich ja zuerst etwas Verbotenes eingepackt haben.
Also gut, ich werde ich den kommenden Tagen wohl eine kleine Bestandsaufnahme vornehmen. Klären kann ich das hier vor Ort auch bestimmt nicht, und schließlich bin ich ja zum arbeiten hier. Also geht es heute schon raus an den Stadtrand von Dakar, in eines der vielen Slumgebiete, in denen auch ehemalige Leprakranke leben. Zwei von ihnen haben sich vor einigen Jahren selbständig gemacht. Sie produzieren und bedrucken Papiertaschen. Wie schnell und filigran Hände arbeiten können, die von Lepra gezeichnet sind, kann man nur schlecht beschreiben.
Beeindruckt hat mich besonders der Ehrgeiz, mit dem die beiden den Lebensunterhalt für sich selbst und ihre jeweiligen Familien bestreiten – ja: bestreiten dürfen. Denn es ist in Senegal wie in vielen anderen Ländern ganz und gar nicht selbstverständlich, dass von Lepra gezeichnete Menschen ganz normal in die Gesellschaft integriert sind. Doch darüber werde ich ab morgen mehr erfahren, dann geht es in die Lepradörfer, die bis heute auf keiner Landkarte verzeichnet sind und für deren Einwohner es immer noch viele Einschränkungen gibt.